Mit einer maximalen Steigung von 28% ist die PostAuto-Strecke auf die Griesalp die steilste Buslinie der Schweiz und sogar von Europa. Von Reichenbach führt die Reise zuerst nach Kiental. Nach dem Tschingelsee wird die Strasse unglaublich schmal und steil. So wird man mit dem PostAuto bequem die spektakuläre Strasse, die vorbei am Hexenkessel führt, hinauf chauffiert. Auf der Griesalp angekommen, wartet eine atemberaubende Landschaft auf die Fahrgäste. Ein unvergessliches Erlebnis...
31.220, Reichenbach - Kiental - Griesalp
Die steilste Buslinie von Europa nimmt ihren Anfang in Reichenbach im Kandertal. Das Tal erstreckt sich von Spiez bis nach Kandersteg und verläuft parallel zum Simmental. Das beschauliche Dorf Reichenbach liegt an der Lötschberg - Eisenbahnstrecke und wird stündlich mit dem RegioExpress von Bern und Brig her erschlossen. Der Fahrplan sieht von ende Mai bis ende Oktober an Werktagen fünf, am Wochenende sechs Kurse bis zur Griesalp vor. Auf dem neu umgebauten Bahnhofsplatz warten je nach Wetter und Passagieraufkommen
bis zu drei speziell für die steile und kurvige Griesalp-Linie zugeschnittene PostAutos des Typs Mercedes Vario. Für all jene die nur bis Kiental reisen wollen, kommt ein separater, niederfluriger Standardbus zum Einsatz. Nachdem alle Fahrgäste einen Platz gefunden haben und der Anschluss von der BLS abgenommen wurde, kann die gut 40 minütige Fahrt los gehen. Das Fahrzeug der Post rollt nun durch den urchigen Ortskern, welcher von etlichen Chalets und liebevoll gestalteten Gärten geprägten ist, zur Haltestelle Bären. Hier fängt die Strasse ein erstes Mal an zu steigen.
Mit mehreren Kehren windet sich die Route nach Scharnachtal hinauf. Dabei ergibt sich ein herrlicher Ausblick auf das Kandertal und den 2’362 hohen Niesen. Die relativ schmale Strasse windet sich weiter am Berghang entlang, vorbei an etlichen weidenden Kühen, ins Nachbarsdorf Kiental. Seit 1899 ist die Ortschaft mit einem Postverkehr ab Reichenbach erschlossen. 1931 entschied man sich, die Linie durch die spektakuläre Pochtenschlucht bis zur Griesalp zu verlängern. Vorbei am Hotel Kientalerhof und dem ehemaligen Schulhaus gelangt das PostAuto nach Ramslauenen.
Bis hier hin verkehren die Linienbusse das ganze Jahr über. Auf dem grossen Parkplatz in unmittelbarer Nähe der Sesselbahn Ramslauenen sieht der Fahrplan eine kurze Standzeit vor, bevor die zweite Etappe in Angriff genommen wird. Betrieben wird die einzigartige Griesalp Linie übrigens von der Regie Äschi. Von den gut 50 Mitarbeitern werden nur knapp 20 Chauffeure auf der spektakulären Berglinie eingesetzt. Diese werden jeden Frühling mit einem separat Fahrtraining geschult und für die Saison auf der steilsten Buslinie von Europa vorbereitet. Doch zurück zur Reise.
Die bis anhin relativ gut ausgebaute Strasse verwandelt sich nun in einen einspurigen Bergweg, welcher sich weiter taleinwärts schlängelt. Dementsprechend wird der herrliche Drei-Klang-Ton reichlich genützt, um die Automobilisten zu warnen. Vorbei an der Loosplattenalp und dem Restaurant Alpenruhe erreicht der Linienbus kurze Zeit später den Tschingelsee. Bei einem Unwetter im Jahre 1972 lösten sich am gegenüberliegenden Berghang grosse Felsmassen und stürzten ins Tal. Ein natürlicher Damm entstand und staute das Wasser der Chiene auf und der Tschingelsee entstand.
Man entschloss sich, diese von der Natur erschaffene Landschaft zu erhalten und errichtete rund um den See ein Naturschutzgebiet. Starke Regenfälle und Unwetter fördern jedes Jahr eine gewaltige Menge Gestein und Schutt von der Griesalp Region in den Tschingelsee. Dies führt dazu, dass sich der See immer mehr mit Geschiebe füllt und daher seit einigen Jahren mehr einer Auenlandschaft gleicht. Da sich der Wasserspiegel durch das hineingeschobene Geröll jährlich um 5 bis 8 Zentimeter erhöht, sind immer wieder Anpassung an der Strassenführung notwendig.
Am Ende des geschichtsträchtigen Sees befindet sich die Haltestelle Tschingel. Spätestens hier ist für die normalen Linienbusse Schluss, welche an Spitzentagen bis hierhin als Kursverstärkung verkehren. Denn fortan gilt eine Maximalbreite von 2 Metern und Höchstgewicht von 12 Tonnen. Durch die Frontscheibe erhebt sich nun eine gewaltige Felswand, an der sich eine schmale Strasse empor kämpft. In den nächsten zehn Minuten werden mit 20 Haarnadelkurven stolze 200 Höhenmeter überwunden. So nimmt der ortskundige Chauffeur mit seinem zuverlässigen
und leistungsstarken Fahrzeug die steilste PostAuto-Linie in Angriff. Nach dem ersten Anstieg folgt bereits ein Höhepunkt. Auf der linken Seite sieht man ein wildsprudelndes Becken, das einem Whirlpool gleicht, den Hexenkessel. Der Sage nach soll die Hexe hier einen Zaubertrank gebraut haben, als sie den Teufelsboten bemerkte und diesen im heissen Gebräu ertränkte. Darauf hin erschien der Teufel persönlich und rührte den Hexentrank so stark, dass der Kessel samt Hexe und Hexenhaus in einem lauten Knall in 1000 Stücke zerbrach und ein tiefes Loch entstand - der Hexenkessel.
Doch zurück in die Gegenwart. Das PostAuto kämpft sich im Schritttempo weiter die enge und steile Strasse hinauf. Schon nach wenigen Minuten hat man einen beachtlichen Höhenunterschied bezwungen und es ergibt sich ein herrlicher Ausblick auf den Tschingelsee. Nach vier weiteren Kehren erwartet einem auf der rechten Seite den beeindruckenden Blick auf den Dündenfall, welcher sich über 59 Metern in die Tiefe ergiesst. Gleich danach wartet auf der anderen Seite der nächste Wasserfall - der Pochtenfall. Nun folgt mit 28 % Steigung der steilste Abschnitt,
welcher der Griesalp-Linie den Titel "steilste Buslinie von Europa" beschert. Dieser Teil ist nicht nur unglaublich steil, sondern auch mit etlichen engen Haarnadelkurven gespickt. Auf minimalstem Radius legt das PostAuto mehrere 180° Kehren hin. Dabei muss der Chauffeur aufpassen, dass er nicht an den senkrecht ragenden Felswänden anhängt oder mit dem Heck die Leitplanke touchiert. Hier zahlen sich die extrawendigen "Traktoren" aus. Auch sonst wird viel von den Varios abverlangt. Bis zu sieben Mal täglich nehmen sie die unglaubliche Strasse in Angriff und leisten tagtäglich einen zuverlässigen Dienst.
Nach dem man das Nostalgiehotel Waldrand-Pochtenalp passiert hat, folgt ein kurzer flacherer Abschnitt. Doch dieser ist nur von kurzer Dauer. Schliesslich schmiegt sich die Strasse durch eine spektakuläre 2,20 Meter breite Felslücke. Hier bleibt nicht mehr viel Platz für die ohnehin schon klein gebauten Rückspiegel. Danach ist es aber geschafft und der Endpunkt der Linie, das Grand Hotel Griesalp, ist in Sicht. Der moderne Hotelkomplex empfängt seit 1904 Gäste aus aller Welt. Seit einigen Jahren ist der Betrieb sogar das ganze Jahr über geöffnet.
Während im Sommer viele Gäste mit dem PostAuto hinauf zum Hotel fahren, erfolgt die Anreise im Winter mit dem hoteleigenen Schneemobil. Die Griesalp bildet den Ausgangspunkt von zahlreichen Wanderungen, Bergtouren und Themenwegen. Einer davon ist der 2018 neu errichtete PostAuto-Erlebnisweg. Der Familienwanderweg führt in rund zwei Stunden von der Griesalp hinunter ins Kiental. Unterwegs wartet eine Aussichtsplattform mit Blick auf die steilen Kurven der PostAuto-Strecke, eine Kletterwand sowie eine wetterfeste Grillstelle auf grosse und kleine PostAuto-Fans.
Last Update: 13.11.2024
Zuletzt gereist: 18.10.2023